Kurt Henschel, Künstler, Maler und Grafiker

Ein Havelberger Kind – verwachsen mit Stadt und Landschaft

* 27.05.1921 in Havelberg  gest.24.06.2008 in Havelberg

Das Œvre von Kurt Henschel, entstanden fernab der großen Kunstzentren, aber geistig mit ihnen stets verbunden, ist von nationaler Bedeutung und ist in die klassische Moderne und Avantgarde einzuordnen. Henschel verfügte den geschlossenen Erhalt seines Werkes in enger Verbindung zu seiner langjährigen Wirkungsstätte, dem Prignitz-Museum Havelberg.

Der in Havelberg geborene Künstler studierte von 1938 bis 1941 und von 1948 bis 1950 Malerei an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin. Seit 1953 leitete er für 33 Jahre das Havelberger Prignitz-Museum am Dom und gründete die Kreuzgang-Galerie.

1941 wurde er kurz vor Studienabschluß zum Militärdienst einberufen. Henschel und drei weitere Freunde hatten sich das Versprechen gegeben, keine Waffe in die Hand zu nehmen. Der Soldat Henschel schaffte dieses unglaubliche Vorhaben mit der Simulation einer Nervenkrankheit. Das Unheil des Krieges, dem er mit dieser bewundernswerten Kraftanstrengung aus starker pazifistischer Überzeugung entgangen war, ließ Bilder und Zeichnungen voller Traurigkeit entstehen.

Seine künstlerischen Anliegen gestaltete der Schüler von Carl Hofer und Heinrich Ehmsen zunächst mit Ausdrucksmitteln, die für die frühe Nachkriegszeit in der deutschen Kunst symptomatisch waren: düster glühende Farben, magische oder unwirkliche Räume, abstrahierte, meist organische Formen und Strukturen, mit denen Grenzbereiche menschlicher Erfahrungen zwischen tiefster Verzweiflung, aufkeimender Hoffnung sowie das Bewahren humanistischer Werte ausgedrückt wurden. Gleichzeitig entstanden in diesen Jahren zahlreiche Portraits, darunter mehrere Selbstbildnisse.

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2006 Plakat der Ausstellung "Kurt Henschel Meine Klassiker" im Havelberger Prignitz-Museum

Havelberg wurde zum wichtigsten Thema seines künstlerischen Schaffens. Der Mikrokosmos von verwinkelten Strassen und Gassen mit manchen bizarren Gebäuden sowie verschachtelten Dachlandschaften fokussierten für ihn zu einer spannungsvollen Einheit von Nähe und Ferne, von Authentizität und Verallgemeinerung, die Welthaltigkeit suggeriert, getreu seinem Credo, einen Apfel so zu malen, dass in ihm die ganze Welt enthalten sei.

Waren es zunächst realistische und „wirklichkeitsnahe“ Ansichten mit einer individuellen und kraftvollen Handschrift, mit denen Henschel als Mitglied des „Verbandes der Bildenden Künstler der DDR“ die engen Grenzen des „Sozialistischen Realismus“ für sich auszuloten und zu erweitern trachtete, fand er mit den Jahren zu einer immer freieren und zunehmend expressiven Bildsprache.

Damit einher ging die Verlagerung künstlerischer Mittel. Dem Ölbild traten schwarz-weiße oder farbige Tusch- und Kreidezeichnungen gleichberechtigt an die Seite. Darüber hinaus experimentierte der Künstler Henschel mit der Kombination verschiedener Techniken. Der universelle Vorrat an Ausdrucksmitteln erlaubte ihm ein freies und unmittelbares Umsetzen des äußerlich Gesehenen zu innerlich Geschautem durch Konzentration auf das Wesentliche. Dabei blieb sein Blick auf das Tun der Menschen stets warmherzig und von stiller Ironie. Das vermitteln selbst die Havelberg-Bilder der späten achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. In düster-kraftvollen Blättern scheint sich Unheil über der kleinen Stadt zusammenzubrauen. Es ist die Ruhe vor dem Sturm, in der sich nichts mehr zu bewegen scheint. Manchmal dringen Fische, die alte Havelarme seit ewigen Zeiten bevölkerten, in Straßen und Häuser ein oder ziehen als riesige drohende Ungeheuer über den Himmel dahin. Der Zeichner und Maler wird zum Mahner, der mit Sorge seine Umwelt betrachtet, wie der Mensch auf den Lebensraum Wasser Einfluss nimmt.

Kurt Henschel stand über alle Jahre seines Lebens und Schaffens sowohl mit Studienkollegen wie mit zahlreichen wichtigen bildenden Künstlern, Schriftstellern und Musikern in Berlin, Leipzig oder Halle und in anderen Städten bis in die USA in enger Verbindung. Viele von ihnen stellte er in seiner bereits 1960 gegründeten „Galerie im Kreuzgang“ des Havelberger Prignitz-Museums aus. Als Rentner besuchte er bis ins späte Alter zahlreiche europäische Länder, Kunstmuseen und Galerien.

Im umfangreichen Alterswerk Henschels überwiegt seine wunderbare innere Heiterkeit, voll philosophischer Tiefe. Virtuos und spielerisch bewegt er sich in den Gesetzen der Bildgestaltung, die er nun als schier unendliche Freiräume seiner Phantasie begreift, in denen alle Motive seines lebenslangen Schaffens, auf die elementarsten Formen bis zu fast hieroglyphenartigen Formeln reduziert. In imaginären Räumen scheinen der Dom, die Fische, Kähne und Häuser, die Kannen und Leuchter, manchmal auch ein Maler mit Mappe und Stift zu schweben.

Grundlage für viele beeindruckende Bilder war für Henschel stets ein permanentes Naturstudium sowie handwerkliche Meisterschaft.

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21. Mai 2006 Der Künstler, Maler und Grafiker Kurt Henschel im Gespräch mit Gästen bei der Ausstellungseröffnung (Meine Klassiker) im Prignitz-Museum am Dom Havelberg

Der Maler Kurt Henschel hat in mehr als einem halben Jahrhundert ein Werk geschaffen, das mit seiner Beseeltheit und seiner sinnlichen Ausstrahlung die Empfindungs- und Erlebnisfähigkeit des Betrachters unmittelbar erreicht.

 

Sonderausstellung 2011 im Prignitz-Museum am Dom Havelberg